Grundsätzlich tritt das Erbrecht in der neuen Fassung ab 01.01.2017 in Geltung. Dies bedeutet, es findet Anwendung auf alle Sterbefälle, die sich nach dem 31.12.2016 ereignen. Die Neufassung des Erbrechts stellt eine grundlegende Revision der bisherigen Bestimmungen dar.
Betrifft mich das Erbrecht Neu?
Ja, denn es geht uns alle etwas an.
Daher scheint es unerlässlich, sich mit den Neuerungen unseres Erbrechts vertraut zu machen, um später mögliche böse Überraschungen zu vermeiden. Die Grundlage des österreichischen Erbrechts bildet zu einem großen Teil das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Jahr 1811, das ABGB. Mit 1. Jänner 2017 tritt nun eine umfassende Erbrechtsreform in Kraft, mit welcher diverse Neuerungen im österreichischen Erbrecht einhergehen. Unter anderem werden veraltete Formulierungen sprachlich angepasst und überholte Bestimmungen abgeschafft, aber auch grundsätzlich neue Regelungen geschaffen. Diese Neuerungen sind bei Todesfällen ab dem 1. Jänner 2017 anzuwenden und werden im Folgenden überblicksmäßig dargestellt.
Besserstellung Ehegatte
Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat. Der Ehegatte des Verstorbenen ist – wie bisher – neben den Nachkommen des Verstorbenen zu 1/3 und neben Eltern des Verstorbenen zu 2/3 gesetzlicher Erbe. Ist ein Elternteil vorverstorben, erhält der Ehegatte (eingetragene Partner) auch seinen gesetzlichen Erbteil. In allen anderen Fällen ist er alleiniger gesetzlicher Erbe, er schließt also die Seitenverwandten des Verstorbenen (Geschwister, Neffen, Nichten) gänzlich aus.
Außerordentliches Erbrecht Lebensgefährte
Den Lebensgefährten kommt unter bestimmten Voraussetzungen ein außerordentliches Erbrecht zu, und zwar vor dem Erbrecht von Vermächtnisnehmern und der Aneignung durch den Bund. Dies bedeutet, dass der Lebensgefährte erbt, wenn es keine durch Testament eingesetzten oder gesetzlichen Erben gibt, vorausgesetzt er hat zumindest in den letzten drei Jahren mit dem Verstorbenen in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Gesetzliches Vorausvermächtnis
Dem Ehegatten oder eingetragenen Partner gebührt außerdem das Recht, in der Ehe- oder Partnerschaftswohnung weiter lebenslang zu wohnen, sowie das Eigentum an den im ehelichen oder partnerschaftlichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Dem Lebensgefährten stehen diese Rechte ebenfalls zu, sofern er mit dem Verstorbenen als dessen Lebensgefährte zumindest in den letzten 3 Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Allerdings sind diese Rechte beim Lebensgefährten auf 1 Jahr befristet, das heißt sie enden ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen.
Gesetzliches Pflegevermächtnis
Mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 geht eine erstmalige Berücksichtigung der Pflegeleistungen durch nahe Angehörige einher. Der pflegenden Person gebührt in Zukunft ein gesetzliches Vermächtnis, wenn die Pflege an dem Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigen Ausmaß erbracht wurde. Außerdem muss die Pflege unentgeltlich durchgeführt worden sein.
Änderungen der Formvorschriften letztwilliger Verfügungen
Eine fremdhändige letztwillige Verfügung muss vom Verfügenden in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig unterschrieben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz versehen werden, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Weiters muss die Identität der Zeugen aus der letztwilligen Verfügung hervorgehen. Das sind der Vor- und Familienname sowie das Geburtsdatum oder die Adresse der Zeugen. Der Zeuge muss sodann eigenhändig unterschreiben und zusätzlich einen eigenhändigen Zusatz hinzuschreiben, der auf seine Zeugeneigenschaft hinweist.
Pflichtteilsberechtigte Personen
Der Pflichtteil sichert einen Mindestanteil am Erbe, den ein Pflichtteilsberechtigter jedenfalls aus dem Nachlass bekommen muss, auch wenn er in einem Testament nicht bedacht wird. Dieser beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählen nunmehr die Nachkommen, der Ehegatte oder der eingetragene Partner. Die Pflichtteilsberechtigung der Eltern wird durch die Erbrechtsreform beseitigt. Auch die Möglichkeit der Pflichtteilsstundung besteht ab 1. Jänner 2017. Dies hat zur Folge, dass auf Anordnung des Verstorbenen oder auf Verlangen des belasteten Erben durch das Gericht der Pflichtteil für die Dauer von fünf Jahren gestundet werden kann. In besonderen Fällen kann der Zeitraum durch das Gericht auf maximal zehn Jahre verlängert werden. Schließlich werden die Anrechnungsbestimmungen im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht neu geregelt, dabei geht es um die gesetzlichen Anordnungen, die die Auswirkungen lebzeitiger Schenkungen auf das Pflichtteilsrecht des Beschenkten und auch auf das Pflichtteilsrecht der übrigen Pflichtteilsberechtigten regeln.
Erweiterung der Enterbungsgründe
Es besteht die Möglichkeit, einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch gänzlich zu entziehen – ihn also zu enterben. Die Neuerungen im Erbrecht sehen vor, dass Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen sowie grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis als Enterbungsgründe gelten. Insbesondere ist es nun möglich, einem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil zu entziehen, wenn dieser dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat.
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Anmerkung: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.